Olena Shmyrko
(Kamjanez’-Podilsker nationale Ivan Ohijenko Universität)
KONZEPT „GEFLÜGEL“ IM DEUTSCHEN
PHRASEOLOGISCHEN SYSTEM
Der Mensch beobachtete das Verhalten von Tieren, die Besonderheiten ihres Charakters und versuchte immer, bestimmte Merkmale seines Charakters mit Tieren zu identifizieren. Das Konzept von Vogel wurde zur Grundlage vieler Metaphern. Die allgemeine Bedeutung des Begriffs Vogel in vielen Kulturen ist ‘Freiheit’, aber das Konzept Geflügel (in unserem Kontext – das als Nutztiere gehaltene Vögel) symbolisiert etwas Anderes. Im phraseologischen System der deutschen Sprache ist beispielweise der Hahn ein Feuersymbol: vgl. j-m den roten Hahn aufs Dach setzen ‘das Haus anzünden’. Der Hahn symbolisiert, in Übereinstimmung mit seinen Gewohnheiten, Stolz und Mut: stolz wie ein Hahn, wie ein Hahn hochgehen ‘in einen aufgeregten Zustand sein’; Der Hahn ist kühn auf seinem Mist / wie der Hahn auf dem Mist losgehen / Jeder Hahn ist König auf seinem Mist, sowie auch Streitsüchtigkeit: wie zwei Hähne aufeinander losgehen, Zwei Hähne taugen nicht auf einem Mist. Dieses Symbol hat auch historisch markierte Bedeutungen: der gallische Hahn (ein Symbol Frankreichs), der grüne Hahn (umg. Gendarm). Darüber hinaus haben im deutschen phraseologischen System Animalismen mit der Kernkomponente der Hahn die folgenden Bedeutungen: Hahn im Korb sein ‘ein gemeinsamer Favorit zu sein, der einzige Mann in einer Gesellschaft von Frauen zu sein’; Wetterwendisch, wie der Hahn auf dem Turme ‘flatterhaft, veränderlich, wechselhaft’, so viel wie der Hahn vom Eierlegen verstehen ‘dilettantisch’, es kräht kein Hahn danach (darum) ‘niemand interessiert sich dafür’, Kein Hahn kräht mehr danach ‘Niemand erwähnt es mehr’ [1; 3].
Zusammen mit dem Konzept das Huhn ist der Hahn ein Symbol der Zeit und der Morgenzeit beim (mit dem) ersten Hahnenschrei aufstehen, mit den Hühnern aufstehen ‘sehr früh, kurz vor oder bei Sonnenaufgang’, Früh mit den Hühnern zu Bette und auf mit dem Hahn um die Wette, mit den Hühnern schlafen gehen; vom Hahnenschrei bis zum Eulenruf ‘von morgens bis Mitternacht’.
Das Konzept das Huhn erhält aber meistens Attribut ‘dumm’: dummes Huhn; dumm, wie ein Huhn. Es existieren aber auch andere Attribute dieses Konzepts: ein komisches Huhn, ein verrücktes Huhn ‘verrückte, seltsame, exzentrische Person’; ein leichtsinniges Huhn ‘Verlierer’; Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn – ‘der Zufall (die Zufälligkeit) die Eventualität’; Da lachen ja die Hühner / Darüber muss eine Kuh lachen – ‘Spott’; ein verregnetes Huhn, wie ein gerupftes Huhn aussehen, wie Hühner im Regen hocken ‘schlecht aussehen’. Das Konzept das Huhn verwendet man für die Bezeichnung jemanden, ‘der sich in einem Zustand starken emotionalen Schocks, Aufregung und Unfähigkeit befindet, seine Handlungen und Taten zu kontrollieren’: er guckte wie ein Huhn, wenn’s donnert, ein Gesicht haben oder als hätten einem die Hühner das Brot weggefressen. Es wurde angemerkt, dass Symbolik der Eigenschaften von Hühner in der deutschen Phraseologie aber ambivalent ist. Einerseits sehen wir obengenannte Beispiele, andererseits kann dieses Konzept gleichzeitig Attribut ‘Wohlstand’ haben: sein Huhn im Topf haben. Eine Reihe von phraseologischen Einheiten sind mit dem physiologischen Prozess der Eiablage verbunden: Hühner, die viel gackeln, legen wenig Eier; Ein schwarzes Huhn legt auch weiße Eier; Die Hühnlein verkaufen, noch ehe die Eier gelegt sind [1; 3].
Ein interessantes Beispiel für die Prototypen, nämlich die zugeschriebenen „unmotivierten“ Attribute, ist das Attribut dumm des Konzepts die Gans (blöde, dumme Gans; wie eine Gans schnattern ‘Blödsinn erzählen’), das in vielen phraseologischen Systemen vorhanden ist, obwohl die Gans ein ausschließlich positives Symbol in der Weltkultur ist (erinnern wir: die Gänse retteten Rom) [1; 3]. Tierregeln versuchen die weitere Wetterentwicklung aus dem Verhalten von Tieren zu schließen, vgl. Ziehen die wilden Gäns’ und Enten fort, ist der Winter bald am Ort [2, S. 59].
Die Ente in der deutschen Phraseologie ist eine Bezeichnung für eine Lügenmeldung, dies ist ein Tier mit watschelndem, schwerem Gang, ein Schwächling. Eine lahme Ente ist ‘ein langsamer Mensch oder Mensch ohne Initiative’. Wie eine bleierne Ente schwimmen bedeutet also ‘gar nicht schwimmen’.
In der modernen deutschen Sprache sehen wir Modifikationen: dagegen gelegentliche, einmalige, nur auf einen konkreten Text gebundene Umgestaltungen der phraseologischen Ausgangsformen, vgl. WC-Ente verdient Ihr Vertrauen. Ente gut, alles gut (Werbungsslogan; zum Sprichwort Ende gut, alles gut) [2, S. 14].
Wir schließen daraus, dass die Prototypidee von Geflügel im untersuchten phraseologischen System der deutschen Sprache eine Vorstellung von phraseologischen Merkmalen „niedrigerer Ebenen“ ist, die zur Eindeutigkeit neigen. Die Hauptmerkmale, die dem Geflügel zugeschrieben werden, werden hervorgehoben: dumm, blöd, dilettantisch, wetterwendisch, stolz, verrückt, seltsam, komisch, streitsüchtig, ungeschickt.
LITERATURVERZEICHNIS
- Deutsch-ukrainisches phraseologisches Wörterbuch: stehende/feste Vergleiche. URL : https://books.google.com.ua/books?id=aaf8CQAAQBAJ&pg= PA86&lpg=PA86&dq=jmds.+Brust+sieht+aus+wie+eine+Hundeh%C3%BCtte&source=bl&ots=JBC74XMkIy&sig=tiELvj9zum4PL_h3a_Owt2YSDu8&hl=ru&sa=X&ved=2ahUKEwiqoN3l1ZXdAhVKhqYKHW84DMYQ6AEwBnoECAkQAQ#v=onepage&q=%D0%BF%D0%B0%D0%B2%D1%83%D0%BA&f=false (Abgerufen am: 03.21).
- Jesenšek V. Phraseologie. Kompendium für germanistische Studien. Maribor, 2013. 101 S.
- Wörterbuch für Redensarten, Redewendungen, idiomatische Ausdrücke, Sprichwörter, Umgangssprache. URL : https://www.redensarten-index.de/suche.php?suchbegriff (Abgerufen am: 17.02.21).